Archiv der Kategorie: Russland

Abenteuer Transsib

Ein Resümee

Jetzt sind wir schon seit einigen Tagen in China, genießen das fernöstliche Essen, sind durch die verbotene Stadt geschlendert und auf der chinesischen Mauer spaziert.
Und da blitzt es immer wieder auf, das unglaubliche Gefühl, dass wir wirklich von Deutschland bis hier her mit dem Zug gefahren sind! So viele tausende Kilometer und so viele unterschiedliche Menschen!
Von all den Russen, die mit Händen und Füssen mit uns kommuniziert haben, über die lustige Truppe, die mit uns gemeinsam die Kontrollen an der russisch-mongolischen Grenze erduldete, bis zu der entspannten Einfahrt nach China!
Liebe Grüße hier an Rina, Sarah, Nina und Ullrich!
Toll war’s und statt vieler Worte gibt es für euch einfach noch ein paar schöne Bilder!


PS: was wir das nächste Mal anders machen würden:
1. einen Stopp zwischen Moskau und Irkutsk einbauen
2. eine der Strecken 3. Klasse (im offenen Pritschenwagen) fahren
3. wenn man -wie wir- Mite August losfährt, kann man auch gut die Karten erst vor Ort kaufen (kommt etwa auf die Hälfte des Preises)

Omul und Bliny

Ja ok, wir hatten eine kleine Pechsträhne hier in Sibirien.
Und dass wir es nicht auf die Schamaneninsel Olchon geschafft haben, das schmerzt mich wirklich.
Aber natürlich hatten wir trotzdem schöne Tage im Land der Burjaten und das haben wir vorallem unserer Lieblingsrussin Galina zu verdanken.

Galina ist eigentlich studierte Ingenieurin und arbeitete vor 20 Jahren im Bereich der Aluminiumherstellung, als ihr damaliger Freund, der Übersetzer war, erstmals französische Gäste bei ihr einquartierte. Denen gefiel es, sie kamen wieder und empfahlen Galina weiter. Das Haus füllte sich und so gab Galina vor 15 Jahren ihren Beruf auf, um von da an ganz Hostelmutti zu sein.
Jeden Morgen empfängt sie ihre Gäste in der Küche ihres hundertjährigen Holzhauses zum Frühstück mit russischen Pfannkuchen und selbstgemachter Marmelade.

Manchmal, wenn ein Marmeladenöpfchen fast leer ist, öffnet Galina eine Klappe im Boden und verschwindet darin, um Nachschub zu holen. Ihr Haus ist einer der vielen traditionellen Holzbauten in Irkutsk, viele davon sind leider in sehr schlechtem Zustand. Nicht nur hinterlässt seit Jahrzehnten das kontinentale Klima mit Temperaturen zwischen 35°C im Sommer und -40°C im Winter seine Spuren an den schnörkeligen Verzierungen, sie sinken zudem langsam und stetig immer tiefer in den Permafrostboden ein.

Am ersten Tag hier, bevor Simon sich die Reise-Diarrhoe eingefangen hat, haben wir einen Ausflug nach Listvyanka gemacht und konnten dort leckeren Omul-Fisch essen, den es nur im Baikalsee gibt. Auch waren wir an diesem Tag wenigstens bis zu den Knien im eiskalten See!

Heute steigen wir wieder in die transibirische Eisenbahn und reisen weiter in die Mongolei! Wir sind schon sehr gespannt!

 

Pain in the ass, Punch in the Face

In Indien hätten wir von schlechtem Karma gesprochen,  in Sibirien ist es wohl eher ein Fluch der Schamanen und ihrer Geister, oder an was die hier halt so glauben. Ich wurde bereits am zweiten Tag von einem Fluch befallen und konnte ihn erst nach achtmaligem Gebet vor dem Porzellangott wieder loswerden. What a pain in the ass!

Doch dies schien die Geister noch nicht besänftigt zu haben. Da zeitlich nun die Weiterfahrt nach Olchon durch die wiederkehrende Seelenreinigung nicht mehr realisierbar schien, wurde an einem Plan B gefeilt. Die Wahl fiel auf den Besuch eines kleinen idyllischen Dorfs am Ufer des Baikalsees, Bolshie Koty, welches nur über den Wasserweg erreichbar ist. Soweit alles gut, den in kyrillisch verfassten Schifffahrplan gecheckt, Hostel im Dorf gebucht. Nun nur noch mit dem Minibus nach Listvyanka und von dort aus raus auf den See. Am Hafen dann, päm, ein „punch in the face“, nichts da mit Bergpanorama auf der gegenüberliegenden Uferseite, alles mit Rauch der 200km entfernten Waldbrände bedeckt. Nichts da mit Sonnenschein und Strandfeeling an der Russischen Riviera. Nur der münzensammelde Schießbudeninhaber, der gleichzeitig einen kleinen Kiosk und eine Hobbytouristeninfo betrieb, schien glücklich zu sein. Und zu guter Letzt, nichts da mit Boot, erster Tag Nebensaison. Alles anders, alle weg.

Naja, keep calm and drink кафе́ !

Käffchen schlürfen
Kommunisten-Käffchen schlürfen

 

 

5206 km später

Wir fahren durch Sibirien.
Draußen Birke, Birke, Birke. Dreieinhalb Tage lang.
In unserm Wagon sind nur Russen. Keiner spricht englisch.
Den Erwachsenen scheint das unaungenehm zu sein, sie schauen lieber in ihr Handy, selbst unsere Provodniza (Wagonaufseherin) lächelt nur verzweifelt.
Nur die Kinder und Alten stört das nicht, sie plappern munter auf russisch auf uns ein, versuchen sich mit Händen und Füßen begreiflich zu machen und zeichnen Verwandtschaftsgrade in unser Notizbuch.

Eine alte Dame aus St. Petersburg, die zu ihrer fast blinden Schwester aufs Land reist, um ihr bei der Ernte zu helfen, packt erstmal ihren Proviant aus. Gekochtes Hühnchen in Alufolie, Tomaten, Kuchen. Sie teilt alles durch drei und schiebt uns jedem einen Teil über den Tisch zu, Widerstand zwecklos. Sie hat eine einzige gekochte Kartoffel dabei, sie besteht darauf, dass wir sie essen.
Wir können nur Kabanossi zum Tausch anbieten und einen Singsang aus Dankeschön – Spasiba, Spasiba, Spasiba.
Ein Opi malt sich und seine 6 Geschwister in unser Notizbuch, einen der Brüder hat er gerade in Omsk besucht. Um zurück nach Hause zu kommen, muss er acht Stunden Zug fahren und dann noch neun Stunden fliegen mit Zwischenlandung in Wladiwostok.
Er kann ein paar Worte deutsch: „Guten Morgen, Ausweis, Kinder, Schnaps.“ Woher finden wir leider nicht heraus.
Dann endlich in Novosibirsk steigen eine Frau und ihr Teenagersohn ein, die etwas englisch sprechen. Es tut gut mal wieder in ganzen Sätzen zu reden.

Im Zug lebt man in einer Art Zeitblase, denn obwohl man in den dreieinhalb Tagen fünf Zeitzonen durchfährt, zeigen die Uhren im Zug und auf den Bahnhöfen stets die Moskauer Zeit an. Hell, dunkel, hungrig, müde – all das ist irgendwann komplett entkoppelt von dieser numerischen Angaben. Die Zeit wird nur an den Stopps gemessen, denn wenn der Zug hält gibt es was zu gucken, Städte, Menschen, das Treiben auf dem Bahnsteig.
Die vielbeschriebenen Babuschkas, die ihre hausgemachten Waren feilbieten, scheinen jedoch leider zunehmend von Kiosken abgelöst zu werden. Die Russen kaufen heute lieber Mars-Riegel und Eis, als geräucherten Fisch und Teigtaschen.

Man kann es nicht leugnen, das Ganze zieht sich schon.
Doch dann endlich, die Erlösung: Ankunft in Irkutsk und eine Dusche  😉

Liebesgrüße aus Moskau

Moskau empfing uns leider grau in grau, mit 15 Grad Temperaturunterschied zu Warschau und Nieselregen.
Da stand ich also auf dem roten Platz, um uns drängten sich hunderte von Touristen und warfen sich teils dramatisch in Pose, ich hingegen war zugegebenermaßen etwas enttäuscht. Wo waren die Türme aus rotem Gold? Moskau, Moskau, wer deine Seele kennt, der weiß dein Feuer brennt…hmm…mir war eher kalt…
also verkrochen wir uns in’s GUM, das verrückte Moskauer Luxuskaufhaus, wo Cartier und Louis Vuitton sich aneinanderreihen, und ja es ist wirklich beeindruckend.
Aber ein Mittagessen hier lag nicht im Reisebudget, deshalb wieder raus und weitersuchen und ehrlich gesagt ist das ganz schön schwer, wenn man gar nichts lesen kann. So landeten wir schließlich mit knurrendem Magen beim Subways und ich war frustriert.

Aber wir waren ja nicht allein in der großen Stadt.
Wir hatten beschlossen in Moskau zu couchsurfen, um das wirkliche Leben in der russischen Hauptstadt kennenzulernen. Unserer Gastgeber Anna und Egor nahmen uns herzlich in ihrer kleinen Wohnung auf und gaben uns eine abendliche Führung durch „ihr“ Moskau, erzählten uns lustige Anekdoten, ließen vorsichtig kritische Kommentare über die russische Politik einfließen und zeigten uns schließlich ihr Lieblingslokal in einem kleinen Hinterhof, wo wir unseren ersten Vodka tranken!
Und an diesem Abend hab ich sie gesehen, die Türme aus Gold!
Das war so schön- Moskau und ich, wir waren wieder versöhnt!