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nach Osten

Eigentlich war noch eine Tour in die Gobi-Wüste geplant. Aber das hätte bedeutet eine Woche lang täglich 6 Stunden Autofahrt, denn die Mongolei ist groß und Straßen praktisch nonexistent.
Doch kaum im großen lauten Ulaanbataar zurück, fehlte uns die Stille und Weite der Steppe. Das bedeutet für uns „Mongolei“, auf dem Rücken eines Pferdes, Wind und Sonne im Gesicht, vor uns Berge und Täler! Und so beschlossen wir erneut loszuziehen, diesmal nach Osten, nur wir zwei und unser Horseguide.


Nach kurzer Zeit haben wir die Touristencamps am Rande des Terelj-Nationalparks hinter uns gelassen, wir halten noch an einem kleinen Tempelkomplex und dann liegt sie wieder vor uns, die große Steppe, immer wieder durchzogen von Felsen und kleinen Flüssen.
Stundenlang geht es durch diese atemberaubende Landschaft.

Abends sitzen wir müde in einer Jurte, ein Ömchen mit wettergegerbtem Gesicht kocht für uns Ziegenfleisch und ich schau zur offenen Türe hinaus auf die Berge, hinter denen gerade die Sonne untergeht.
Es wird jetzt nachts schon richtig kalt, sobald das Feuer aus ist auch in der Jurte und eines Morgens beim Aufstehen liegt Rauhreif über dem Gras.

Unser Horseguide Inke hat Freunde überall, immer wieder halten wir an Jurten an und werden auf einen Milchtee und Schmalzgebäck hereingebeten. Bei einer Familie hängen lauter Medaillen über dem Altar, allesamt bei Pferderennen gewonnen. Außerdem ein Foto des Opas als siegreicher Ringer beim jährlichen Nadaam-Fest.

Am zweiten Tag rasten wir nachmittags bei einem zerfallenen Kloster, dort treffen wir eine Familie, die mit einem alten russischen Militär-Planwagen unterwegs ist. Sofort gibt es Brot und Yakbutter für alle und dann kommt der Vodka. Der Familienvater reicht Simon einen Becher voll, er kippt ihn, daraufhin anerkennende Blicke. Dann ich, ebenfalls freudige Gesichter. Bei der zweiten Runde schaffe ich zwar nur noch den halben Becher, rede mir aber ein, dass Schnaps bestimmt hilft, wenn man zuvor mit dreckigen Fingern Butter gegessen hat. Vielleicht wäre ich etwas zurückhaltender gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass noch ein knapp fünfstündiger Ritt vor uns liegt… Als wir an diesem Abend an der Jurte ankommen, bin ich komplett erschöpft und alles tut mir weh. Aber ein warmes Abendessen und ein traumhaft schöner Sternenhimmel lassen mich dann doch glücklich einschlafen.
Am dritten Tag ist das Ziel die Dschingis Khan-Statue. Von einem Berg aus sehen wir sie bereits von fern in der Sonne glitzern – ein 40m hohes Monument, komplett mit Edelstahl überzogen, ein beliebtes Ausflugsziel für mongolische Familien.

Seit dem Fall der Sowjetunion und der wiedererlangten Unabhängigkeit zelebriert die Mongolei ihren Helden als das Sinnbild ihrer nationalen Identität – Dschingis Khan Flughafen, Dschingis Khan-Universität und Dschingis Khan-Bier.
Doch das Schönste ist eigentlich, dass man von der pompösen Statue aus nur über eine Bergkuppe reiten muss und schon ist man weg vom Trubel und wieder mitten in der unglaublichen Landschaft, wo man sich selbst wie Dschingis Kahn fühlt.

Schnupftabak-Flasche
Schnupftabak-Flasche

Heute schlafen wir ausnahmsweise nicht in einer Jurte, sondern bei einem alten Ehepaar in einem kleinen Häuschen. Der Mann ist schon etwas senil und freut sich alle zwei Stunden erneut darüber, dass wir aus Deutschland kommen, darauf erstmal ne Runde Schnupftabak! Dann die große Überraschung, er hat hinterm Haus ein Gewächshäuschen angelegt, wir sehen die ersten Tomaten und Gurken in der Mongolei und das Abendessen wird ein Festmahl für uns!

Das einzige, was die Steppen-Romantik manchmal trübt, ist Plastikmüll, vor allem Flaschen und Getränkedosen. Selbstverständlich wollen auch die Nomaden Cola, Bier und Schokolade kaufen, Dinge die es heutzutage in jedem noch so kleinen Laden gibt. Eine Müllabfuhr in der mongolischen Weite existiert jedoch noch nicht. Da sind mir die vielen Knochen, die man so sieht, doch lieber…


Zum Schluss gibts nochmal das volle Mongolei-Abenteuer-Paket: voller Stolz führt uns Inke zu einer befreundeten Familie, die Kamele und einen Adler besitzen, zwar eher für Touristen, aber im Altai-Gebirge wird auch heute noch mit diesen riesigen Greifvögeln gejagt. Er ist so schwer, dass ich ihn nur ganz kurz auf meinem Arm halten kann. Dann wird im nahegelegenen Fluss gefischt und noch rasch vor unseren Augen ein Schaf geschlachtet. Den Kopf kriegt der Adler.


Als wir am am folgenden Tag zurück zu Inkes Familie reiten, bin ich schon ein wenig wehmütig.
Mongolei, du warst so schön, hoffentlich komme ich irgendwann wieder!

Volles Herz, wunder Po

Man sagt, mongolische Kinder lernen reiten, bevor sie laufen lernen. Und wirklich, eines Morgens sehen wir einen Fünfjährigen ohne Sattel an uns vorbeigaloppieren um zwei störrische Ziegen wieder zurück zur Herde zu treiben.
Dagegen bin ich im Reiten echt ne Null.
Das denkt wahrscheinlich auch unser Guide, als ich nach einem siebenstündigen Ritt fix und fertig fast von meinem Pferdchen falle. Selbiges schaut mich nur verwundert an, es hätte locker noch 10 Stunden weiterlaufen können.

„Mongolische Pferde sind stark“ ist das erste was uns unser Guide erzählt. Sie leben halbwild in ihrer Herde das ganze Jahr über draußen und werden nur mit dem Lasso eingefangen, wenn man sie braucht. Also klettere ich zunächst mit gebührendem Respekt auf den typischen hölzernen Sattel und spüre sofort: auch wenn die mongolischen Pferde verhältnismäßig klein sind, sie haben ordentlich Feuer im Hintern!
Aber sie sind auch zuverlässig, nichts kann sie erschrecken!
Mein Pferd trägt mich mitten durch riesige Yakherden, kraxelt auf die steilsten Berge hinauf und durchquert mit mir auf dem Rücken reißende Flüsse.
Und dann ist er da, der Moment, und ich galoppiere auf meinem Pferdchen einhändig über die endlose mongolische Steppe.
Waaahnsinn.
Das war wirklich jeden blauen Fleck wert!