5206 km später

Wir fahren durch Sibirien.
Draußen Birke, Birke, Birke. Dreieinhalb Tage lang.
In unserm Wagon sind nur Russen. Keiner spricht englisch.
Den Erwachsenen scheint das unaungenehm zu sein, sie schauen lieber in ihr Handy, selbst unsere Provodniza (Wagonaufseherin) lächelt nur verzweifelt.
Nur die Kinder und Alten stört das nicht, sie plappern munter auf russisch auf uns ein, versuchen sich mit Händen und Füßen begreiflich zu machen und zeichnen Verwandtschaftsgrade in unser Notizbuch.

Eine alte Dame aus St. Petersburg, die zu ihrer fast blinden Schwester aufs Land reist, um ihr bei der Ernte zu helfen, packt erstmal ihren Proviant aus. Gekochtes Hühnchen in Alufolie, Tomaten, Kuchen. Sie teilt alles durch drei und schiebt uns jedem einen Teil über den Tisch zu, Widerstand zwecklos. Sie hat eine einzige gekochte Kartoffel dabei, sie besteht darauf, dass wir sie essen.
Wir können nur Kabanossi zum Tausch anbieten und einen Singsang aus Dankeschön – Spasiba, Spasiba, Spasiba.
Ein Opi malt sich und seine 6 Geschwister in unser Notizbuch, einen der Brüder hat er gerade in Omsk besucht. Um zurück nach Hause zu kommen, muss er acht Stunden Zug fahren und dann noch neun Stunden fliegen mit Zwischenlandung in Wladiwostok.
Er kann ein paar Worte deutsch: „Guten Morgen, Ausweis, Kinder, Schnaps.“ Woher finden wir leider nicht heraus.
Dann endlich in Novosibirsk steigen eine Frau und ihr Teenagersohn ein, die etwas englisch sprechen. Es tut gut mal wieder in ganzen Sätzen zu reden.

Im Zug lebt man in einer Art Zeitblase, denn obwohl man in den dreieinhalb Tagen fünf Zeitzonen durchfährt, zeigen die Uhren im Zug und auf den Bahnhöfen stets die Moskauer Zeit an. Hell, dunkel, hungrig, müde – all das ist irgendwann komplett entkoppelt von dieser numerischen Angaben. Die Zeit wird nur an den Stopps gemessen, denn wenn der Zug hält gibt es was zu gucken, Städte, Menschen, das Treiben auf dem Bahnsteig.
Die vielbeschriebenen Babuschkas, die ihre hausgemachten Waren feilbieten, scheinen jedoch leider zunehmend von Kiosken abgelöst zu werden. Die Russen kaufen heute lieber Mars-Riegel und Eis, als geräucherten Fisch und Teigtaschen.

Man kann es nicht leugnen, das Ganze zieht sich schon.
Doch dann endlich, die Erlösung: Ankunft in Irkutsk und eine Dusche  😉

2 Gedanken zu „5206 km später“

  1. Genau so hattest Du es ja schon geschildert ,als wir am Sonntag geskypt
    haben . Trotzdem interessant es nochmal zu lesen !
    Alles Liebe weiterhin !

  2. Ihr Lieben, zurück aus dem eigenen Urlaub hatte ich endlich mal Gelegenheit, die ersten Einträge eures Blogs zu lesen – super! Da will ich auch gleich wieder los… Hoffe die Birken wurden dann noch von etwas Spannenderem abgelöst und sende euch liebe Grüße und eine feste Umarmung, Marion

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